Preparations for a Journey

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Preparations for a Journey (2002)

Ankunft am Bahnhof. Im Wirrwahr der Menschenmenge kommt die Familie kaum durch. Alle sind aufgeregt. Der Zug ist am Gleis und sie steigen ein. Draußen stehen Menschen, die sich verabschieden. Die Reise beginnt. Im Koffer ist nur das Nötigste für die erste Zeit. Ein letzter Blick auf Istanbul…
So könnte jede stereotype Reise eines Gastarbeiters und seiner Familie beginnen: „ein Koffer voller Träume“.
Aber Anny und Sibel Öztürks Inszenierung eines deutschen Zugabteils, dass in den 1960er und 1970er Jahren zum Transport von tausenden Gastarbeitern nach Deutschland diente, ist mehr als nur eine historische Rekonstruktion. Die Wände des Zugabteils sind aus Furnier und die Sitze sind einfach zusammengebaute Bänke.
Weil man einander gegenüber sitzt, ist es schön sich dort aufzuhalten, aber nicht wirklich bequem. An den Wänden hängen ein paar „echte“ Versatzstücke: Spiegel der deutschen Bahn, Aschenbecher, Ablagen. An der Stirnwand ist ein Fenster angebracht. Die Mischung aus Nachbildung und Original beschreibt die irreale Situation einer Reise, vor allem aus der Sicht der Kinder. Während einige Elemente der realen Erinnerung entsprechen,
sind andere nur noch Referenzen, die in die Sphäre des Imaginären ragen. Im Hintergrund ist ein Zug und ein Super8-Projektor zu hören, aber das Abteil bewegt sich nicht und die Bilderam Fenster zeigen keine vorüber gleitende Landschaft.

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Die Reise als Innere und äußere Bewegung wird in „Preparation for a Journey” auf den Punkt gebracht. Deutschland beginnt sich in den Köpfen der Reisenden zu materialisieren – lange bevor der erste Koffer gepackt ist. Erste reale Begegnungen mit dem Ziel ist das deutsche Zugabteil. Indem Moment, in dem die Reise ihren Lauf nimmt, wird sie von Rückbesinnungen auf ein bisheriges Leben begleitet. Die projizierten Super8-Filme
verweisen auf eine Reise zurück in die Kindheit. Diffuse Erinnerungen: Die Eltern, der Park, aber wo war das? Wo findet Heimat statt?
Migration wird gerne als Zerrissenheit beschrieben. Es gelingt den Öztürks, dieser negativen Wertung eine persönliche Geschichte zu entgegnen, die aus einer wartenden und unentschlossenen Masse von unberechenbaren Individuen, Menschen mit interessanten Erfahrungen und einer eigenen Geschichte macht. Die Hybridität von Migration bettet sich heutzutage fast von selbst in einer globalen Weltanschauung ein.

Alexandra Ventura